Der Fürst vom Greifenstein.
Ein Original war der im Jahre 1802 zu Drebach bei Ehrenfriedersdorf geborene Karl Pilz, welcher unter dem Beinamen „Zöppelpilz“, weil er anfangs mit weißen Backwaren, namentlich mit sogenannten Hörnchen oder Zöppeln, handelte, auch als „Messer-Karl“, da er Messer, Nadeln, Einziehstifte usw. feilbot, zu allermeist aber als „Fürst vom Greifenstein“, wie er sich selbst am liebsten nannte, vielen älteren Bewohnern unserer Gegend wegen seiner Eigentümlichkeiten noch in lebhaftem Gedächtnis steht.
Nach seiner Ueberzeugung war er der Prinz oder Fürst, welcher eine in den Höhlen des Greifensteins verzauberte Prinzessin zu erlösen habe, um sodann sein dortiges, zur Zeit noch untergegangtenes Schloß, das er namentlich gern auf den von ihm zum Kaufe ausgebotenen Bildern zu sehen und zu zeigen glaubte, wieder aufrichten und mit seiner entzauberten Schönen bewohnen zu können. Die zur Erlösung der Prinzessin und zur Erbauung des Schlosses nötige Geldsumme hoffte er durch große Gewinne in Lotterien zu erlangen, weshalb er die als milde Gabe gesammelten Pfennige größtenteils in Lotterie- oder Lottolosen anlegte und wieder verspielte, wobei er sich am liebsten die betreffenden Losnummern mit Kreide auf den Rücken seines Rockes schreiben ließ.
Wunderlich war seine ganze Kleidung, seine ganze Persönlichkeit, und es fehlte ihm daher fast niemals an einer zahlreichen, aus übermütigen Straßenjungen bestehenden Begleitung, die sich an seinem närrischen An- und Aufzuge köstlich amüsierte. Gewöhnlich trug er einen blauen Frack mit blanken Knöpfen und gelben Streifen, an dessen linker Vorderseite er als Fürstenorden einen Riemen voller Knöpfe, Schnallen, Schrankschilder, alten Münzen und ähnlicher Dinge trug, die aber alle schön blinken und glänzen mußten. Zuweilen wechselte er den Frack auch mit einer alten Schützenuniform oder einem anderen auffälligen Kleidungsstück, wie er es gerade als Geschenk erhalten hatte. Die Kopfbedeckung bestand aus einem spitz zugehenden hohen Hut, bisweilen auch aus einem Zylinder von Glanzleinewand, einem sogenannten Kutscherhute, der mit allerhand Federn, besonders Pfaufedern, sowie Spielkarten, Bildern und dergleichen geschmückt war und die Aufschrift: „Fürst vom Greifenstein“ hatte. Stets trug er an der Seite eine größere Ledertasche, die er besonders gern mit alten Uhren, gewöhnlich ohne alles Räderwerk, ausfüllte. Letztere putzte er selbst aus und versuchte sie, überzeugt von ihrem hohen Werte, an den Mann zu bringen. Mit Vorliebe pflegte er auch die Hinterseite seines Kostüms auffällig anzuputzen und namentlich mit alten Klöppelmustern, Tüchern und Schleifen zu behängen. Als großer Verehrer von Ringen hatte er sämtliche Finger gänzlich mit schlechten Ringen besteckt, worunter vorwiegend Pfeifen- und Tabaksbeutelringe eine große Rolle spielten und die zum Teil so ins Fleisch eingewachsen waren, daß er die Hände nicht gut krümmen, daher auch sehr schlecht zugreifen und arbeiten konnte.
Das Arbeiten war überhaupt seine Lieblingssache nicht. Auch bei leichter Beschäftigung hielt er nicht lange aus; vielmehr suchte er sich ihrer immer möglichst bald wieder zu entziehen, in der Gegend umherzustromern und bettelnd durchs Gebirge zu ziehen. Er war daher fast überall bekannt und soll auf seinen Vagabundenzügen sogar bis nach Wien gekommen sein, welche Stadt er besonders in sein Herz geschlossen hatte, und weshalb auch wohl: „’s gibt nur a Kaiserstadt, ’s gibt nur a Wien!“ das Lieblingsstückchen des musik- und gesangliebenden Bummlers war. Seinen Gesang begleitete er oft auf einem alten Leierkasten, oder er ließ die Bilder seines Guckkastens bewundern, um sodann seinen Obolus dafür in Empfang zu nehmen.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 42 – Sonntag, den 30. Oktober 1927, S. 3