Eine Jugendherberge in Rittersgrün.

Kommt man das Pöhlatal heraufgewandert, hat Pöhla und Globenstein hinter sich gelassen und will eben durch Rittersgrün weiter ziehen, sieht man rechter Hand der Bahnstation Unterrittersgrün in dreiviertel Höhe des Hanges ein schmuckes Häuschen liegen. An drei Seiten umgibt es Wald und Busch und nur nach dem Tale hin führen freie Fluren hinüber nach dem Ochsenkopf. Dieses Häuslein hat der Bezirksverband Schwarzenberg zum Besten der Jugendfürsorge errichtet. Eine Bezirksjugendherberge ist es, und zwar eine, die dem Sinn der Jugendbewegung und -pflege entspricht. Es tut einem wohl, daß hier, wo auch die Natur in urtümlicher Weise dem Blick und Sinn sich darbeut, ein Bau entstanden ist, der nicht modernem Luxus dient, sondern den wandernden Jungens und Mädels, die die Natur erleben wollen, ein Asyl gibt.

Die Jugendherberge in Rittersgrün

Mit seinem steinernen Grundbau und seinem Dach und Giebel aus Schindeln steht das Gebäude da. Eine große Spielwiese vor ihm gibt Platz für Volkstanz und Jungenspiele. Eine Rohsteinmauer, mit dreierlei Alpenpflanzen begrünt, begrenzt auf der einen Seite den Vorhof. In diesem ein Brunnen und grüne Rasenflächen mit jungen Bäumchen inmitten der breiten Wege. Eine breite Treppe führt uns durch zweikantige farbige Holzsäulen, die ein schützendes Portaldach tragen, zur Pforte, die sich gastlich öffnet und in ein gemütliches Heim führt. Sie läßt uns auch sogleich in den schönsten Teil eintreten, in die geräumige Vorhalle. Es wäre müßig, alle Einzelheiten aufzuzählen, die von der bis ins kleinste stilechten Arbeit sprechen. Und doch verdient dies uns jenes besondere Erwähnung. Farbenfreude ist das Grundmotiv des Raumes. Dunkel gebeizte Holztäfelung und gemalte Wand charakterisieren ihn und werden ergänzt durch hölzerne Beleuchtungskörper, Bilder und Möbel. Eine breite Holzfreitreppe mit Geländer führt hinauf zum ersten Stockwerk, in dem ein dreiviertel Umgang in die Vorhalle hinabblicken läßt. Diese ist also zwei Stockwerke hoch und ist im Erdgeschoß von den Aufenthalts- und Garderobenräumen und im ersten Stock von den Schlaf- und Waschräumen umgeben, wozu noch die Wohnräume und Küche des Herbergsverwalters kommen. Sie verdient mit Recht den Namen „Schöne Halle“. Die Deckenbemalung führt den Beschauer ins Märchen- und Sagenland und damit hinaus aus der Hast des Alltags. In gotischen Spitzbogen heben sich die grüngestrichenen, in einfachen Ornamenten abgesetzten Türen wundervoll von den Wänden ab und die beiden Fensternischen mit ihren eingebauten Bänken mit Rückenlehne, Tischen und Stühlen liegen in gedämpftem Licht der Butzenscheiben oder geben einen weiten Blick ins Freie. Ein Kachelofen in der Art der alten Gebirgsöfen paßt sich dem Stile an.

Die beiden Aufenthaltsräume im Erdgeschoß geben Einzelgruppen Gelegenheit, am Abend plaudernd und singend zusammenzusitzen. Große Fenster geben ihnen Licht. Auch hier einfache jedoch schöne Farben, Möbel und Bilder.

Die beiden Dachgeschosse bergen die Schlaf- und Waschräume. Drei kleinere Schlafsäle im ersten Geschoß und zwei große im zweiten geben bequem 75 Jugendlichen Schlafgelegenheit und können im Notfalle sogar bis zu 100 Personen aufnehmen. Große Waschräume mit muldenförmigen Abflußbecken und Siebwasserhähnen stehen bereit für Morgen- und Abendtoilette. Alle Räume sind luftig. Die Sonne weckt die Schläfer beizeiten und durch die Fenster haben sie einen weiten Blick in die Berge und Täler der Heimat.

Trotzdem alles in dem Heim modernen Luxus vermeidet und lediglich Einfachheit mit Schönheit verbindet, hat man doch nicht vergessen, sich aller Errungenschaften der Technik zu bedienen, die nützlich für den Menschen sind, besonders in hygienischer Hinsicht. Hierin bietet das Kellergeschoß einen Einblick. In ihm nehmen den Hauptplatz der zweiteiligen Bade- und Fußbaderaum ein. Jeder Jugendliche hat die Pflicht, sich allabendlich die Füße zu waschen. Ein Abflußbecken mit fortlaufendem Wasserzufluß gibt dazu Gelegenheit. Für die „ganz Reinlichen“ (nur zu wenige noch haben den Sinn richtiger Körperpflege erfaßt) ist ein Bade- und Abtrockenraum da. Durch einen Ofen, der gleichzeitig Wasser für den Fußbaderaum heizt, werden ca. ein Dutzend Brausen mit guttemperiertem Wasser versorgt, die mit ihren wohltuenden Strahlen die wandermüden Körper sich erholen lassen.

Neben dem Badeheizofen ist noch ein Heißluftapparat vorhanden, der vom Soutterrain aus die Vorhalle wärmt und die Warmluft, die sich nach der Decke zieht, durch Jalousien in den Türen in die Schlafräume leitet, aus denen sie verbraucht und dumpfig durch den Lüftungsturm (siege Bild) wieder abzieht.

Elektrisches Licht in allen Räumen, ein Anbau (siehe Bild ganz links), ein besonderes Krankenzimmer, Abstellräume für Fahrräder und Skis, Garderobenräume, Trockenräume sowie neuzeitliche Abortanlagen vervollkommnen die Anlage in jedweder Hinsicht.

So ist es denn ein Wunder, daß in dem 1925 so mit Schwierigkeiten (durch Maurerstreik usw.) gebauten und vor Jahresfrist (7.2.26) geweihtes Haus bisher schon über 4300 Gäste geweilt und wie das Gästebuch zeigt, sich wohl gefühlt haben. Man sagt nicht zuviel, wenn man die Rittersgrüner Herberge als vorbildlich bezeichnet. Seinen Schöpfern gehört ein Wort des Lobes und des Dankes. Sei es nun dem Bezirksverband für die Finanzierung, dem Fabrikbesitzer Herrn Breitfeld für die Stiftung des Grundes und Bodens und die Ausführung aller Holzarbeiten, dem Architekten Herrn Adler-Schwarzenberg für seinen glänzenden Entwurf des Bauplans und der Innen-Architektur, Herrn Studienrat Hofmann für seine Entwürfe der Malerarbeiten (bes. Deckengemälde der Vorhalle) und seiner Frau für die Anfertigung der kleinen Beleuchtungskörper (Laubsägearbeiten mit Eoliennestoffeinlagen) oder den Schenkern der Bilder (sämtlich fast Originalzeichnungen, -drucke und -stiche); und nicht an letzter Stelle dem tüchtigen eifrigen Herbergsvater und seiner Frau, die mit der Aufrechterhaltung der Ordnung viel Mühe und Sorge haben, aber trotzdem mit ihrem Kindel ein beschauliches Dasein dort oben führen. Es ist deshalb auch recht und billig, daß sich jeder, der dort weilt, der fest normierten Herbergsordnung unterwirft, und daß nicht, wie es auch leider schon vorgekommen ist, Arbeitslose wie die Vandalen dort hausen.

Mag die Herberge viele Nacheiferer finden, sie wird dadurch im rechten Sinne, tatvoll zum Besten unseres Volkes wirken, indem sie mithilft, ein starkes Geschlecht aus unserer Jugend heranzuziehen.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 12 – Sonntag, den 20. März 1927, S. 1