Die erzgebirgische Mundart, die als ein ostfränkisch-obersächsischer Mischdialekt bezeichnet wird, kann als eine einheitliche Mundart aufgefaßt werden, da sie gewisse gemeinsame Züge hat, die nur ihr eigen sind und durch die sie sich von allen Nachbarmundarten wesentlich und bemerkbar unterscheidet. Aber innerhalb der Mundart sind die Verschiedenheiten und Abweichungen, die besonderen Eigentümlichkeiten und unterscheidenden Merkmale so zahlreich und augenfällig, daß man gut und gerne eine ziemliche Anzahl von Untermundarten unterscheiden könnte. Ein tiefgreifender Unterschied macht sich zunächst geltend zwischen der Sprechweise des östlichen Gebirges, wo die ostfränkischen Bestandteile noch vorherrschen, und dem Westen, wo sie seltener und meist verschliffen sind; fast ebenso bedeutend ist der Unterschied zwischen dem oberen Gebirge und dem mittleren Höhenlande, wo ein allmähliches Verblassen und Verwischen der weiter oben schärfer hervortretenden Züge der Eigenart stattfindet. Aber auch sonst sind die Unterschiede, die Besonderheiten häufig. Jede Gegend, jedes Tal, ja jede Stadt hat ihre Eigentümlichkeiten, die als solche empfunden werden und die Quelle gegenseitiger Hänseleien zu sein pflegen.
Wir wollen betrachten, „wies Vulk redt“, und das redet anders in Kamms (Chemnitz), als in Edern (Oederan), anders in Griehah (Grünhain), als in Zwehnz (Zwönitz).
Der erzgebirger, besonders der Obererzgebirger, hat eine Vorliebe für dumpfe Vokale und harte Konsonanten. So werden au, ä, eu und ei zu aa (a), z. B. Fraa, Baar, Fraad, Staan; – ei, eu und ö zu ä, z. B. lächt, lächt’n, schännsta; – e zu a, z. B. har; – a zu oo, z. B. Soog‘; – o zu uu (u), z. B. Luus. So wird aus j: g, z. B. gän’r (jener), Gahr, Gung, Gag’r (Jäger); – aus g: k, z. B. genunk, Bark (Berg), Kelick (Glück); – aus h: h, z. B. Fluk (Floh).
Fälle von Lauterzeugungen, insbesondere Vokalerzeugungen zwischen gewissen Konsonanten, sind nicht selten, so beispielsweise: Gelut = Glut, geleich = gleich, Gelanz = Glanz, Gelaaben = Glauben, Galied’r = Glieder; ferner: d’rkannt = erkannt, ahamm = heim, noochert = nachher, weiter: Rumpes = Rumpf, Kupes = Kopf, ähnlich: Millich = Milch, Lärig = Lerche, endlich: Taafet = Taufe, Garmerich = Jahrmarkt (vergl. in Thüringen Almerich = Altenburg).
Weit häufiger aber sind die Ausstoßungen von Vokalen, die Verschleifungen von Silben und Wörtern. Gewöhnlich ist der Vokal in den unbetonten Vorsilben ge, ver usw. kaum hörbar, z. B. g’triem = getrieben. Manche Vorsilben verschwinden ganz, wie: ‚rei = herein, ‚ro = heran, ’nunger = hinunter. Die unbetonten Endsilben werden entweder ganz abgestoßen, oder verschmelzen mit der Stammsilbe, z. B. bleim = bleiben, proom = proben, uhm = oben, Laam = Leben, Oomd = Abend, gaehmt = geebnet, wink = wenig, Kuhng = Kuchen, gebung = gebogen, Seng = Segen, Kerng = Kirchen, aang = eigen, fluung = fluchen, werng = würgen, v’rlaang = verleugnen, d’rwang = deswegen, Toong = Tagen, hiesing = hiesigen, Kann’r = Kantor, Rutkaat = Rotkehlchen, geha = gehauen, laen = legen, wer = würde, wurn = geworden. Die Verkleinerungsendung lein erscheint in der Form: la (le). Für die Adjektiv-endung ig wird manchmal et gebraucht, z. B. schaaket = scheckig, baanet = beinig. – aber nicht allein unbetonte Silben werden abgestoßen und verschliffen, sondern auch solche mit einem Nebentone, z. B. Nupr = Nachbar, schawern = scharwerken, Handschch = Handschuh, Echerla = Eichhörnchen, Gahlich’n und Gahl’chen = gelbe Hühnchen, arb’n = arbeiten, nong = nachher. Auch kurze Wörter werden mit einander verschmolzen, z. B. wemmer = wenn wir, gimm’r = geh’n wir, vunna = von ihm, hottene = hat er ihn, nu’ch = nun sich, ing = ich ihnen, Bornkinnel = geborenes Kindlein, gipp’r = gibt ihrer, allezamm = alle zusammen, immadim = um und um, ka’sn = kann es ihnen, gutteger = ganz und gar, epps’n = ob sie ihn, würrerch = würde er sich.
Aus der Wortbeugung mögen nur die besondern Steigungen: ferner von sehr (= mehr) und ehnder von ehe, die eigentümlichen Zeitformen: huhl für hielt, fuhl für fiel, fuhng für fing, gehatten für gehabt und maanet für meinte erwähnt werden.
Die Sprache des Erzgebirgers weist noch manche Eigentümlichkeit auf. so mischt er seiner Rede gern selbstgeschmiedete Wörter bei und verunstaltet fremde aufs grausamste. Aus Larifari macht er „Larefar“, das Korsett zu einem „Kartschetl“, das Porzellan zu „Porzelih“, eine Girlande zur „Gorlande“. Etwas ganz Neues ist „nieglnoglnei“, wem man den Standpunkt klar machen will, den „laxenirt“ man, und ein ungezogener Junge wird nicht bei den Haaren, sondern „bun (beim) Wisch“ genommen, während der Bauer des Niederlandes den ganzen Tag im Hofe und Felde „scharwerkt“, „schabrt“ der erzgebirgische; er heimst nicht ein so viel als möglich, sondern er „schobert“, geht auch nicht zum Nachbar auf Besuch, sondern „hutzn“. Ein lediger „Puß“ (Bursche) macht im Erzgebirge zwar keinen Lärm, aber großen „Teebes“ oder „Teebs“. Als Verkleinerungssilbe braucht der Erzgebirger statt chen und lein „la“ („Kihla“ = Kühchen, „Seila“ = Schweinchen); außerdem ist er ein Freund der Flickwörter „fei“ und „eppr“. Auch die Namen pflegt er zu verunstalten. Aus einem Ludwig macht er einen „Lud“ oder „Wig“ und Gottlob, -fried, -lieb verkürzt er zu „Lub“, „Fried“ und „Lieb“. Ebenso sind im Erzgebirge die Spitznamen mehr denn anderswo daheim. Jeder im Dorfe weiß z. B., wo der „Mahlhenner“ wohnt, während ihm der mit Mehl handelnde Heinrich so und so unbekannt ist. Auch fügt man den Taufnamen gern dem Familiennamen bei. Man macht aus dem Gottlob Schulze einen „Schulzenlob“ und sein Sohn Eduard wird zum „Schulzenlobward“, ja selbst ein „Hansenfritzenkarlfried“ ist keine so seltene Erscheinung. Es bedingt schon einiges Nachdenken, um z. B. aus „‚Mahlhennerwigs Puß“ den Sohn von Mehlheinrichs Sohn Ludwig und aus „Fuchsdavidkordel“ die Tochter Konkordia des Gutsbesitzers David so und so, der zufällig fuchsfarbige Pferde liebt, herauszufinden.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 42 – Sonntag, den 30. Oktober 1927, S. 2