Karl Hertelt, Oberwiesenthal – 100 Jahre

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 5 – Sonntag, den 31. Januar 1937, S. 2 – 3.

Noch heute rühmen die Werke den Meister

Altmeister Karl Friedrich Hertelt bei der Arbeit.

Wer kennt ihn nicht, den lieben, alten und verdienstvollen Altmeister erzgebirgischer Schnitzkunst Karl Friedrich Hertelt, den unser Bild zeigt, und der just vor 100 Jahren am 19. Januar 1837, das Licht der Welt erblickte. König Winter breitet heute seinen weißen Hermelin über den stillen Hügel am Fichtelberg, unter dem der alte Meister nun schon seit 1922 ruht, aber seine Werke sind lebendig geblieben. Seine unvergeßlich schönen Weihnachtskrippen befinden sich nicht nur im erzgebirgischen Familienbesitz, sie sind weit in alle Welt gegangen bis in die ferne Südsee. Noch nie war die Schnitzkunst in einer so volkstümlichen Art ausgeübt worden, wie unter dem Schnitzmesser Hertelts. Der alte, stille und bescheidene Meister machte nicht viel Wesens von sich, aber sein Name war in aller Welt, und wer jemals nach Oberwiesenthal kam, der sah sich nicht nur seine Vereinskrippe in Stadt Karlsbad an, sondern der besuchte ihn einmal, den alten Meister, und er traf ihn so an, wie wir ihn heute auf unserem Bilde sehen. In der schlichten Stube war ein seltsamer Geruch von Farben, lacken und Leim – kurzum, wir sagten immer „Hier riecht´s so recht nach Weihnachten”.

Die Geburt Christi.

Den fleißigen und geschickten Händen Hertelts einmal zuzuschauen, war eine seltene Freude, und stets hatte der alte Meister auch ein liebes Wort. Was einmal der alte Hertel begonnen hatte, das führte er mit großer Liebe bis zum Ende, und es dauerte sehr, sehr lange, ehe eine seiner Figuren von ihm als vollkommen gelungen beiseite gelegt wurde. Immer wieder und wieder nahm er sie zur Hand, gab da und dort noch einen Schnitt. Wenn aber einmal das Werk fertig war, dann sah man es ihm auch an – das Werk in von Karl Hertelt – und noch heute rühmen die Werke den alten Meister. Einige seiner Weihnachtskrippen und -figuren geben wir im Bilde wieder, dabei sei aber erwähnt, daß die Bilder bei weitem nicht die Schönheit wiederzugeben vermögen, die die Figuren Hertelts tatsächlich haben.

Simeon und Hanna bei der Darstellung im Tempel.

Man muß die feinen Züge der Figuren am Original betrachten, um zu verstehen, wie der Meister es verstand, Erstaunen und Freude, bei der Verfolgung Schmerz und Trübsal wiederzuspiegeln. Die Figuren haben Leben und sind erfüllt von dem tiefen religiösen Sinn des Meisters, der sich bei allen seinen Werken streng an die Bibel hielt. Betrachten wir z. B. den von ihm gefertigten Tempel zu Jerusalem, so finden wir die Einteilung des Heiligen und des Allerheiligsten, finden einen Aufbau der Säulen, so wie ihn die Heilige Schrift beschreibt.

Herteltsche Krippe der „Obererzgebirgischen Zeitung” in Buchholz i. Sa.
(Links oben: Schloß des Herodes; links unten: Geburt Christi; rechts: Tempel zu Jerusalem mit Simeon und Hanna.)

So darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, daß der Meister Hertelt in seinen Werken bis zum heutigen Tag einzigartig geblieben ist. Vor seinen Werken muß man Hochachtung haben, und Hertelt selbst hatte vor seinen Werken Achtung. Wir haben es miterlebt, daß er Figuren, die er einmal geschnitzt hatte, auch sorglich gepflegt wissen wollte. Lieber verkaufte er sie nicht, so notwendig er in seiner Armut das Geld auch gebraucht hätte. Ja, er brachte es fertig, Figuren, die man ihm zur Ausbesserung wiederbrachte, weil man damit unvorsichtigerweise Kinder hatte spielen lassen, einfach nicht ausbesserte. Seine Figuren waren Kunstwerke und keine „Männeln”, das wollte er sehr eindeutig mit solcher Ablehnung zum Ausdruck bringen, und er tat recht daran. Wer heute noch eine Hertelt-Krippe besitzt, der hält sie hoch in Ehren, der weiß, daß er einen Reichtum besitzt, der unersetzlich ist, und hütet das Werk wie das Andenken des alten, treuen Schnitzmeisters von Oberwiesenthal.

S. Sdl.